Beate Kuhn – immer wieder gerne!

Beate Kuhn, Objekt Störung, 1989
Foto: Ulrich Philippi
Beate Kuhn ist eine der bedeutendsten Keramikerinnen unserer Zeit. Bereits 2007, anlässlich ihres 80. Geburtstages, ehrte das Keramion diese großartige Künstlerin mit einer Überblicksausstellung. Fünfzehn Jahre später können die ungewöhnlichen Keramiken von Beate Kuhn erneut in großer Fülle im Frechener Museum bewundert werden. Das Keramion zeigt vom 15. Mai bis zum 14. August 2022 einen Querschnitt der künstlerischen Entwicklung der Keramikerin. Über sechzig Exponate aus drei Sammlungen, wovon der Schwerpunkt auf dem eigenen Bestand liegt, veranschaulichen das Werk von Beate Kuhn, beginnend in den 1960er-Jahren bis in die Gegenwart.
Sie wurde 1927 in Düsseldorf geboren und starb 2015 in Düdelsheim. Ihr musisch-künstlerisches Elternhaus – der Vater war Bildhauer, die Mutter Pianistin – bildete eine stimulierende Grundlage für ihre spätere keramische Tätigkeit. Zunächst studierte sie 1947 Kunstgeschichte in Freiburg. 1949 wechselte sie nach Wiesbaden an die dortige Werkkunstschule. Hier lernte Beate Kuhn vor allem die keramische Technik, die bestimmend für ihre spätere künstlerische Arbeit werden soll: das Drehen auf der Töpferscheibe. Anschließend bildete sie sich an der Werkkunstschule in Darmstadt bei Friedrich Theodor Schroeder und Margarete Schott weiter. Nach ihrem Studium übernahm Beate Kuhn 1953 zusammen mit Karl Scheid die Werkstatt von Friedrich Theodor Schroeder in Lottstetten. Ihre erste eigenständige künstlerische Tätigkeit begann.
In den folgenden vier Jahren entstanden Gefäßplastiken, die Beate Kuhn entgegen der damaligen keramischen Trends mit Bemalungen versah. Die Künstlerin bevorzugte gebrochen-matte Töne, motivisch stand die weibliche Gestalt im Mittelpunkt. Grundlage dieser antropomorphen Gefäßplastiken mit durchaus humorvoller Wirkung war jeweils ein gedrehter Hohlkörper. Parallel dazu entstanden nach den Entwürfen von Beate Kuhn für die Porzellanmanufaktur Rosenthal Studioline elegant-avantgardistische Vasen und eine Dose als Klassiker der 1950er-Jahre.
1957 folgte Beate Kuhn ihrem Keramikerkollegen Karl Scheid nach Düdelsheim, um sich ebenfalls dort mit einer eigenen Werkstatt niederzulassen. Mit der Übersiedlung änderten sich allmählich nicht nur Tonmassen und Brennverfahren, sondern ihr gesamtes Werk nahm langsam eine andere Gestalt an. Ab 1963/1964 fertigte Beate Kuhn freie Plastiken, die sie aus einzelnen gedrehten und geschnittenen Elementen zu einem Ganzen zusammensetzte. Dabei beschränkte sich die Künstlerin bei jeder ihrer Arbeiten möglichst auf ein Grundelement, dessen Ausführungen in unterschiedlichen Größen additiv aneinander gesetzt wurden. Mit diesem Schritt gab Beate Kuhn als eine der ersten Keramikerinnen* in Deutschland die Beschäftigung mit der Gebrauchskeramik zugunsten einer Hinwendung zur freien Kunst endgültig auf.
Trotz dieser Entwicklung behielt sie einige Konstanten im künstlerischen Werk bei, die nahezu alle ihre keramischen Arbeiten kennzeichneten: das Drehen auf der Töpferscheibe als ihre grundlegende Technik, die Idee des Montierens, ihr intensiver und zugleich sensibler Umgang mit der Farbigkeit und die dynamische Wirkung ihrer Arbeiten.
Über die Jahre entwickelte sie immer neue Möglichkeiten, gedrehte Hohlkörper in einer bisher nicht verwandten Weise zu kombinieren. Verband sie zunächst häufig Kugelformen zu organischen Gebilden wie Bäumen oder Kakteen, so erweiterte die Künstlerin später ihr Formenarsenal um pilzartige Trichter, die sie etwa in einer Aufwärtsbewegung um einen Grundkörper anordnete. Oder sie ließ kleine, an Stäben montierte Scheiben um Kugeln kreisen. Besonders diese so genannten Löffelstücke vermitteln den Eindruck der Auffächerung sehr dynamischer Bewegungsabläufe. Darüber hinaus reihte sie wellenartig an- und abschwellende Drehteile, verwendete Linsenformen oder bündelte in den so genannten Röhrenplastiken strenge oder auch locker geschwungene Zylinderformen zu immer neuen Kombinationen.
1996 erweiterte sie ihre keramischen Plastiken um ein weiteres Gestaltungsmittel: den Einsatz von im Brennofen geformten, leicht getönten Glasscheiben. Galt bisher die formale Fragestellung der Künstlerin dem Verhältnis von Innen zu Außen, so interessierte sie sich nun auch für die Beziehung des Davor und Dahinter.
In den letzten Jahren entstand eine Reihe von formal sehr kräftigen Arbeiten, deren gering variierende Drehteile den Stücken einen kompakten Ausdruck verleihen. Das sensible Farbspiel der Oberflächen setzte einen gelungenen Kontrast dagegen. Es ist der Ausdruck eines intensiven Farbempfindens, von dem sich Beate Kuhn schon seit ihren Anfängen leiten ließ, als sie mit Engoben und Glasuren, auch mehrlagig aufgetragen, zu arbeiten begann. Zur Akzentsetzung verwendete Beate Kuhn seit den frühen 2000er Jahren zusätzlich leuchtende Pigmente ohne Glasur. Zudem wurde parallel ihre Farbpalette gerade in den letzten Jahren immer heller.
Motivisch setzte sich die Künstlerin in ihrem Werk mit den Themen Bewegung, Rhythmus und Veränderung auseinander. Eine wichtige Inspirationsquelle hierzu stellte für Beate Kuhn die Moderne Musik dar. Die von ihr intensiv räumlich wahrgenommenen Kompositionen von Luigi Nono oder Isang Yun übertrug sie in abstrakte keramische Arbeiten.
Die zweite Ideengeberin war schon seit den 1960er-Jahren die Düdelsheimer Umgebung. Künstlerische Übersetzungen erfolgten entweder stärker abstrahiert oder in konkreter Anlehnung an die Natur. Aber auch die weniger gegenständlichen Arbeiten, die die Grenze zur abstrakten Form überschreiten, lassen Assoziationen an Motive wie Korallen, Buschgeäst oder Baumstämme zu. Und immer wieder spiegeln die additiven Reihungen die natürlichen Gesetzmäßigkeiten des Lebensprozess vom Wachsen und rhythmischen Wandel.
Eine sehr genaue Naturbeobachtung ist ebenfalls die Voraussetzung für die Tierplastiken. Neben dem Thema des Lebensbaums nehmen die Katzendarstellungen, denen sich Beate Kuhn schon seit Mitte der 1960er-Jahre widmete, quantitativ einen besonderen Raum ein. In immer neuen Variationen baute sie die Tiere mithilfe detaillierter Vorzeichnungen aus einzelnen Drehsegmenten auf und arbeitete ihre typischen Merkmale heraus. Sie sind gelungene Beispiele für die reiche Fantasie, den Humor, die genaue Beobachtungsgabe, die enorme Farbsensibilität und selbstverständlich das handwerkliche Können von Beate Kuhn, die die über 1.500 von ihr geschaffenen Kunstwerke mit ihrer unverkennbaren Handschrift versehen hat.
(Text, leicht gekürzt: Keramion)
Ausstellung vom 15.05. bis 14.08.2022
Öffnungszeiten: Di – Fr + So: 10.00 – 17.00 Uhr; Sa: 14.00 – 17.00 Uhr
Stiftung KERAMION
Zentrum für moderne+historische Keramik
Bonnstraße 1, 50226 Frechen